Deutsche historische Genusswelt

Culinary History der deutschen Küche

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~~META: creator = Justine Marén &date valid = 2023-01-15 → 2023-12-15 ~~

Brandenburg und Berlin

Berlin ist der geografische Mittelpunkt der Mark Brandenburg. Berlin war bis zur Entstehung Großberlins eine Stadt, die Residenzstadt der preußischen Herrscher, nicht mehr und nicht weniger. Aus dieser Tatsache ergibt sich eine weitere, eine historische »Berliner Küche« gibt es nicht. Eine »Berliner Küche« kann es erst seit der Gründung des Landes Berlin geben.

Im Internet wird sehr viel über die »Berliner Küche« geschrieben, sehr viel Unwahres. Prinzipiell hat die regionale Küche der Stadt Berlin nichts, aber auch gar nichts, mit Heinrich Zille zu tun. Heinrich Zille war Lithograph und Maler, kein Koch. Sein Milljöh war auch nicht die Unterschicht, er lebte in der guten Bürgerlichkeit, in der er auch aufgewachsen ist. Zille fühlte sich jedoch den Menschen, die er malte, verbunden. Für ihn war Gesellschaftskritik ein persönliches Anliegen, leider nicht unbedingt zu seinem Vorteil.

Was wird nicht alles geschrieben? Die Küche in Berlin ist nur zum Sattwerden, hatte keine Raffinesse, kannte keine Gewürze und weiterer Dummfug. In der Residenzstadt Berlin lebte Reichtum und Armut hübsch nebeneinander. Es gab die reichen Villenviertel, die schönen Bürgerhäuser und die unschönen Mietskasernen, wie überall in Deutschland. Der Reichtum verteilte sich auf ca. 20 %, 60 % betrug der Anteil derer, die ihn heranschafften und der Rest war die gut betuchte Mittelschicht. Was war in München anders?

Wer glaubt ernsthaft daran, dass in einer Residenzstadt wie Berlin die Menschen aller Schichten nur von Pellkartoffeln mit Leinöl lebten? Berlin war schon im Mittelalter die Stadt der Fernhändler und Kaufleute. Im 14. Jahrhundert war die Stadt Mitglied der Hanse und nach der Industrialisierung gediehen kleine Wochenmärkte, große Markthallen und blühte Im-,und Export. Die Küche in Berlin war zu keiner Zeit eine ausschließliche Armenküche, nicht einmal zur Zillezeit.

Natürlich gab es gute und schlechte Zeiten, Lebensmittelknappheit, Aufstände. Doch die Ernährungslage in Berlin war nie so schlecht, dass die Menschen aus diesem Grunde verhungerten. In Berlin verstand man zu leben und zu essen.

Auch dem Geschreibsel über die märkischen Kurfürsten und preußischen Könige stehe ich sehr halbherzig gegenüber. Es gab die, die es übertrieben, und die, die zu haushalten verstanden. Die Mär, Friedrich der Große sei ein Vielfraß gewesen, lehne ich grundsätzlich ab. Friedrich war ein kranker Mann. Er war Bluter und litt unter der Stoffwechselkrankheit Porphyrie. Wie viele regierende Monarchen hatte er schlechte Zähne, die ihm das Essen erheblich erschwerten. Sein eigenwilliger Geschmack, der sich mit den Jahren entwickelte, war wohl der Porphyrie zuzuschreiben.

Die Legende von den Hugenotten


Das Edikt von Potsdam nach dem 30-jährigen Krieg brachte die Glaubensflüchtlinge nach Brandenburg, wovon ungefähr 5000 in Berlin wohnhaft blieben, die restlichen 15.000 verteilten sich über Brandenburg. Diese Ansiedlung war eine Maßnahme der Peuplierung, um die alte Bevölkerungsdichte wieder herzustellen. Das Edikt brachte Menschen, doch dafür, dass es nun allein die Franzosen waren, die der regionalen Küche den Aufschwung brachten, gibt es keinerlei Beweise.

Der Zuzug der Glaubensflüchtlinge aus dem Edikt erfolgte ab 1675, der Regierungszeit des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm, seit 1640 Kurfürst von Brandenburg und Herzog in Preußen. Die Hugenotten waren jedoch nicht ausschließlich für die kulinarische Entwicklung Berlins verantwortlich, denn mit dem Großen Kurfürsten und seiner Ehefrau, der Prinzessin von Oranien, folgten auch Niederländer in die Mark. Die Franzosen waren keine Landwirte, die Niederländer schon. Alle Migranten, die sich ab dem 17. Jahrhundert in Brandenburg-Berlin ansiedelten, trugen ein Stück zur Entwicklung der Küche in Berlin und Brandenburg bei. Durch die Hugenotten kam die französische Küche stärker in Mode und es entstanden Kochbücher, die die französische Küche in Mode brachten. Dies alles betraf jedoch nur die Bevölkerung. Die herrschaftliche Küche bezog ihre Kochkunst schon lange aus Frankreich.

Bürgerliche und herrschaftliche Küche


Beginnen wir unsere Forschungsreise bei den schreibenden Hofköchen und Hausmüttern. Kurz und knapp, schon im 18. Jahrhundert waren die Kochbücher deutschlandweit deckungsgleich. Egal ob Berlin, Frankfurt, Sachsen oder Schlesien, alles gleich. Die Hofköche verbreiteten die französische Küche, die Hausmütter die bürgerliche Küche. Der Unterschied bestand im Namen und der Fülle der Zutaten. Fast alle Kochbücher waren mal mehr und mal weniger abgeschrieben, Unikate finden sich nur sehr, sehr selten. Haben die schreibenden Hausmütter und Hausväter alle voneinander abgeschrieben? Zu deren Ehre, nein, wohl sicher nicht. Die Küche war vielfach deutschlandweit gleich, und man gründete einen deutschen Börsenverein der Buchhändler. Man verkaufte höchstwahrscheinlich schon zu dieser Zeit auf der Leipziger Messe „Substanzen“ (Manuskripte), was sich an einigen Titeln eindeutig nachweisen lässt.

Berliner Kochbücher


Es wurden zwar etliche Kochbücher in Berliner Verlagen gedruckt, doch ein wirkliches regional Berliner Kochbuch kenne ich nur eins, die Urschrift von Wilhelmine Scheibler, die vom Amelang Verlag verlegt wurde. Alle anderen Kochbücher wurden zwar von Berliner Hofköchen u.a. Autoren geschrieben, doch sie sind wenig regional. Helene Unger kopierte von Schelhammer, Jakob Gantert hat einen starken Bezug zur Berliner Hofküche unter Friedrich dem Großen, doch nicht nur. Ludwig Kurth, der in enger Beziehung zu Mary Hahn stand, hat sein Buch wohl schreiben lassen, denn es enthält Kochanweisungen die schon 100 Jahre alt gewesen sind und auf das Komma genau kopiert.

Sophie Wilhelmine Scheibler war die Brandenburger Davidis. Ihr Stammverlag war der Amelang Verlag, der nicht weniger akribisch handelte wie Velhagen und Klasing für Davidis. Auch das Scheibler Kochbuch wurde im Ausland verlegt. Es erreichte sogar eine höhere Auflage als das Davidis Kochbuch und wurde länger verlegt. Was machte den Unterschied, wo doch Davidis so hochgejubelt wurde und wird. Ich denke, es war die Volksnähe. Das Buch der Davidis bediente die Zielgruppe nicht, denn es lag weit über dem Budget der Leserschaft. Das Scheiblersche Kochbuch brachte genau das, was die bürgerliche Hausfrau haben wollte, ihre regionale Küche. Es war nicht abgehoben, gut verständlich und man fand sich darin wieder. Leider haben die späteren Bearbeiter daraus ein bayrisches Kochbuch gemacht, das regionale Berlin erscheint unter anderem.

Das Scheiblersche Kochbuch vertrat die Küche Brandenburgs, das Davidis Kochbuch blieb kaum regional. Aus dem westfälischen Raum waren die wenigsten Rezepte. Das Scheiblersche Kochbuch war authentisch, man glaubte der Autorin, dass sie die Gerichte auch selber gekocht hatte. Bei dem Davidis Kochbuch spürt man deutlich, dass viele Rezepte einfach nicht passen. Trotz der Versicherung, alle Rezepte probiert zu haben, kann es nicht stimmen.

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