Stolzer Heinrich


Stolzer Heinrich Schlesische Weißwurst in Malzbiertunke

Dieses Gericht mit dem interessant klingenden Namen wird meist in Zilles Berliner Milieu der 1920er Jahre verfrachtet und als ein Altberliner Arme-Leute Essen dargestellt, dabei ist es ganz weit davon entfernt, so weit wie der Tag von der Nacht. Sind das in etwa 200 Jahre? Der Stolze Heinrich ist keine simple Bratwurst, sondern eine stolze schlesische, polnische oder Hamburger Weißwurst.

Die schlesische Weißwurst wird traditionell im Dezember gefertigt, und zu Heiligabend und Neujahr mit einer typisch schlesischen Lebkuchensauce aus Malzbier verzehrt. Die Wurst besteht vor allem aus Kalbfleisch und Schweinespeck, die extrem fein, noch viel feiner als bei der Nürnberger Bratwurst, unter Beigabe von Eis gecuttert, mit Zitronengewürz und Weißwein verfeinert werden. Diese Masse wird in Schweinedünndarm abgefüllt und kann zur besseren Haltbarkeit abgebrüht werden. Die Wurst wird langsam in Wasser erhitzt und dann in Butter gebraten. Als typisch schlesisches Weihnachtsessen wurden diese dann zusammen mit Kartoffelbrei und Sauerkraut serviert.

Anders als die schlesische Weißwurst, die mindestens eine Elle (44 cm) lang sein muss, enthält die polnische Weißwurst (Kiełbasa biała) typischerweise Knoblauch und Majoran, besonders in der großpolnischen, pommerschen und kujawischen Variante. Sie ist etwas gröber im Brät und enthält standardmäßig Kalbfleisch und Schweinefleisch. Die Polnische Weißwurst wiederum ist ein zentraler Bestandteil des polnischen Osterfrühstücks und auch in Schlesien verbreitet gewesen. Zu den heißen Würsten bietet man Brot, Butter, geriebene Rote Bete und Meerrettich. Diese Weißwurst dient traditionell auch als Einlage in die traditionellen Sauerteigsuppe der polnischen Küche. Zusammen mit Polnischer Sauce und Sauerkraut wird sie zum Stolzen Heinrich.

Alexandre Dumas weist in seinem Wörterbuch der Kochkunst auf die „Boudin hambourgeois“ hin und forderte: „Mögen meine hochgeschätzten Gourmets aus der Normandie auch darauf bestehen, ihren Boudin blanc mit Bier zu verzehren, ich verlange zu diesem feingestopften Darm ein Glas wießen Burgunders!“

Die Hamburger Weißwurst ist in unseren Breiten relativ unbekannt. Im Laufe des 19. Jahrhunderts geriet die Hamburger Weißwurst in Vergessenheit, nicht zuletzt, weil diejenigen Bürger, die sich den französischen Sitten geöffnet hatten, nun lieber schwiegen und alle Erinnerungen an ihre Kollaboration, und seien es auch nur kulinarische, zu tilgen versuchten.

Karl Friedrich von Rumohr notierte diese Weißwurst während eines Hamburg-Besuchs für sein 1822 erschienenes Werk „Geist der Kochkunst“, nachdem er sich über den Knoblauchgeschmack italienischer Würste beklagt hatte: „Eine überaus feine Variante der französischen weißen Boudins sind die Kalbswürstchen, die ich in einem Hamburger Restauration kennenlernte. Auch wenn ich es im Allgemeinen für einen Fehler halte, das Fleisch von Land- und Meeresgetier zu vermengen, darf ich behaupten, dass diese scheinbar geckenhafte Veredelung des Wurstbräts einen Gaumenschmaus besonderer Güte darstellt.“ Das Brät enthielt Kaviar.

Auch in einer frühen Ausgabe des „Appetitlexikons“ von Hab und Rosner wird die Hamburger Weißwurst erwähnt, „deren bayerische Variante recht sättigend ist, während die Hamburgische Weiße von ungewöhnlicher Feinheit und Delikatesse“ sei.

Stolzer Heinrich Schlesische Weißwurst in Malzbier-oder Lebkuchensoße


  1. Die Bratwürste durch Milch ziehen und in zerlassener Butter von allen Seiten schön braun braten, aus der Pfanne nehmen und warm stellen.
  2. Zerdrückte Pfeffer- und Gewürzkörner, Lorbeerblatt, Nelken sowie zerdrückten Pfefferkuchen mit beiden Sorten Bier in das Bratenfett geben und zur gewünschten Saucenmenge einkochen lassen. Lorbeerblatt und Nelken entfernen, die Würste in die Sauce legen und warm stellen.
  3. Kartoffeln schälen, waschen, in Würfel schneiden und in Salzwasser gar kochen. Dann das Wasser abgießen, die Kartoffeln stampfen und unter Zugabe der Buttermilch zu einem feinen Brei verrühren.
  4. Die Zwiebel abziehen, mit dem Speck in Würfel schneiden und in Butter goldbraun braten, dann über das Kartoffelpüree geben und zu der Wurst servieren. Dazu wird Rotkohl gereicht.

Der Hamburger Stolze Hein


Hinsichtlich des Namens gibt es keine allgemein verbindliche Interpretation. „Stolzer Heinrich“ kann sich auf jede der drei Regionen beziehen. Aufgrund seiner Zutaten war die Weißwurst nie ein billiges Gericht der armen Leute, es war ein stolzes Gericht. Denkbar auch, dass sich der Name vom stolzen Hamburger Hein in den Berliner Heinrich verwandelt hat oder umgedreht.

Dass die Weißwurst dann irgendwann der billigen Bratwurst weichen musste, haben wir ganz sicher, wie so meist, den Kriegen zu verdanken und dem Bedürfnis, dass jeder dieses Gericht essen wollte.

Die Hamburger Weißwurst basiert auf der französischen Grundrezeptur der Boudin blanc, die während der Zeit der napoleonischen Besatzung vom Leibkoch des Marschalls Louis-Nicolas Davout um 1813 und 1814 hergestellt wurde. Kennzeichnend für die original Hamburger Weißwurst ist, dass das Brät Kaviar vom Sterlet enthielt, der zu dieser Zeit problemlos fangbar war, analog den Krebsen in den Berliner Gewässern. Dass sie in Vergessenheit geraten ist, liegt wohl ursächlich daran, dass die Hamburger in diesem Zusammenhang auf sich nicht sehr stolz gewesen sein sollen und der Kaviar mehr und mehr zum Luxusgut mutierte. Heute ist diese Weißwurst in Hamburg eine Delikatesse, da sie nicht sehr verbreitet ist, wird aber mit Hering und anderen Fischen hergestellt.

Der Berliner Stolze Heinrich


In einem Kochbuch des Jahres 1785, herausgegeben vom Horvath Verlag in Berlin und Potsdam, fand ich zu meinem großen Erstaunen ein Rezept für Stolzer Heinrich. Dieses Buch schrieb ein anonymer Autor, der in herrschaftlichen Küchen gekocht hat. Dieses Buch wurde seiner Zeit dutzendfach kompiliert und aufgelegt, wohl vom Autor selber. Im Laufe der Zeit hat Anonymus auch einen Namen bekommen, Jakob Gantert. Vermutlich war Gantert Österreicher und könnte in Potsdam in der Küche angestellt gewesen sein. In seinem Kochbuch bzw. späteren Kochbüchern, finden sich noch mehr Gerichte schlesischen Ursprungs. Letzendlich auch das Rauchfleisch in Backobst bekannter als »Schlesisches Himmelreich«.

Mithilfe von Jakob Gantert haben wir mal eins vom Tisch:

Jetzt können wir knobeln. Zeitlich passen würde Prinz Heinrich, der Bruder des großen Friedrich. Er war in Schlesien Krieg spielen und sehr stolz. Ich bedaure immer wieder, wie einstmals edle Gerichte durch Mensch und Zeit verkommen sind. Viele Berliner Gastwirte meinen, etwas ganz bodenständiges auf der Karte zu haben, eine olle Bratwurst, die sie auch noch großer Fritz nennen, obwohl sie Heinrich heißt. :-(


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